Grüne Europa-Abgeordnete in Oberderdingen
Oberderdingen. Immer weniger landwirtschaftliche Betriebe produzieren immer mehr Lebensmittel; das Bundesamt für Risikobewertung stuft das Herbizid Glyphosat unter Einvernehmen von Studien des Herstellers als „nicht krebserregend“ ein; Ministerpräsident Winfried Kretschmann sieht das Insektensterben als eine Gefahr für unsere Lebensgrundlagen. Was die Landwirtin und Europa-Abgeordnete der Grünen Maria Heubuch und Andrea Schwarz, Landtagsabgeordnete derselben Partei, im Oberderdinger Forum aussprechen, ist nicht schönzureden. Und schon gar nicht einfach zu lösen.
Heubuch spricht in einen Raum, der nicht einmal mehr einen Stehplatz entbehren mag. Hunderte Besucher, darunter Landwirte und politisch Interessierte treffen sich, um über eine Transformation der Landwirtschaft zu sprechen.
Dabei liegt der schlagfertigen Politikerin eine Botschaft besonders am Herzen: Wie können Politik und Landwirtschaft gemeinsam mehr Vielfalt wagen? Gerade was ein mögliches Glyphosat-Verbot betrifft, plädiert die Politikerin für einen Kompromiss. „Wir brauchen eine Übergangslösung. Die Politik darf Landwirte nicht ohne Unterstützung vor vollendete Tatsachen stellen“, unterstreicht Heubuch. Sonst, so die Europa-Abgeordnete, übernehme das der Handel. Aldi habe bereits auf Druck der Öffentlichkeit reagiert und möchte seine Produkte nur noch von Glyphosat-freien Betrieben beziehen. „Wie die Bauern das von heute auf morgen anstellen sollen, fragt keiner“, ärgert sich Heubuch. Da stimmen ihr die Landwirte im Saal zu.
Dass ökologische Vielfalt sowohl auf Bio-Betrieben, als auch auf konventionellen Ackerflächen möglich ist, zeigen Studien. „Wichtig ist die Frage nach den Strukturen. Je kleiner diese sind, desto mehr Diversität kann walten. Unabhängig davon ob Bio oder konventionell“, klärt sie auf.
Und trotzdem gibt es neben viel Zustimmung auch Unmut und Gegenwind. Der enorme Preisdruck und sich verschärfende Regulationen von oben machen es den Landwirten schwer auf Intensivierung zu verzichten und kostendeckend zu wirtschaften. So sei es einem Viehbetrieb verboten, Gülle ohne Kontrollen an einen Betrieb weiterzugeben der diese zur Düngung gut gebrauchen könne. Anstatt dessen kaufe ein Betrieb ohne Tierhaltung Kunstdünger zu, ärgert sich ein Landwirt aus dem Publikum. Hinzu kommen die Kräfte der globalen Märkte. Billiges Gensoja aus Brasilien werde zur Fütterung von Schweinen in Deutschland importiert – wovon sich die anwesenden Landwirte kopfschüttelnd distanzieren. So jedenfalls sei es möglich dreimal am Tag günstige Fleischwaren zu essen. Der entstehende Produktionsüberschuss werde dann an Übersee weiterverkauft, entschlüsselt Heubuch die Funktionsweise des weltweiten Lebensmittelhandels. In der lebhaften, ja manchmal wütenden Diskussion ist es vor allem ein Punkt, der immer wieder angesprochen wird – das Konsumverhalten der Bevölkerung. Ist der Kunde nicht bereit, für ein regional hergestelltes Lebensmittel, mehr zu bezahlen, sondern immer nur darauf bedacht das günstigste zu kaufen, werde eine Aufwertung der lokalen Landwirtschaft zu einem schwierigen Unterfangen. Dennoch hofft Heubuch, dass es diese, teilweise sehr persönlichen Geschichten der Landwirte sind, mit denen man diese Aufgaben gemeinsam bewältigen kann. „Wenn wir immer politische Mehrheiten hätten, wäre es viel einfacher Lösungen zu finden“, erklärt Heubuch auf die Frage hin, warum auf EU-Ebene so wenig getan werde.
Immerhin habe das Land Baden-Württemberg insgesamt 36 Millionen Euro für den Artenschutz zur Verfügung gestellt. Gezielte Investitionen sollen es Landwirten ermöglichen, ihrer bedeutenden Rolle zur Förderung biologischer Vielfalt gerecht zu werden.
Die Landwirtschaft könne und müsse an der Erhaltung der Lebensgrundlagen beteiligt werden, sagt die Grünen-Politikerin noch, denn „sonst blüht uns möglicherweise allen irgendwann ein Frühling ohne Vogelgezwitscher“.
Quelle: BNN, Brettener Nachrichten, Sabrina Nagel








