„Dieses Einfamilienhaus ist ein Geschenk“
Bretten-Sprantal. Zum Abschied nimmt Silke Stärker Nino zweimal fest in den Arm. „Ich werde ihn vermissen“, ruft sie aus. Vier Wochen lang wird sie den Zwölfjährigen nun nicht sehen; Nino macht Urlaub – Urlaub bei seiner Mutter.
Unterm Jahr lebt der Junge in der Außengruppe des Hohberghauses in Sprantal. Nino ist der jüngste von neun männlichen Bewohnern, Stärke ist die zuständige Jugend- und Heimerzieherin und Gruppenleiterin. Kürzlich bekamen die Sprantaler Besuch aus der Landespolitik: Während ihrer Sommertour sah sich MdL Andrea Schwarz (Die Grünen) in der Einrichtung um, um ins Gespräch zu kommen und zu hören, ob irgendwo der Schuh drückt.
Dies ist jedoch nicht der Fall, derzeit sind alle zufrieden. „Es funktioniert gut. Dieses Einfamilienhaus ist ein Geschenk“, so die Leiterin. Beim Rundgang durch Haus und Garten sieht die Landtagsabgeordnete fünf individuell eingerichtete Einzel- und zwei Doppelzimmer: Mal hängt da ein Foto vom Lieblingsrapper, woanders sind sämtliche Wände mit eigenen Gemälden verziert. Für die Sauberkeit sind die Bewohner selbst verantwortlich. „Ordnung ist unser Standard. Einmal in der Woche müssen sie ein tageslichttaugliches Zimmer präsentieren, und das machen sie auch“, erzählt die Gruppenleiterin.
Zudem würden die jungen Leute für weitere Arbeiten eingeteilt: Kochen, Putzen, Waschen und gemeinsames Einkaufen gehören zu ihren Pflichten.
Zusammen leben sie hier als integrative Außenwohngruppe mitten im Grünen. Das bedeutet, abseits vom eigentlichen Gelände des Hohberghauses wohnen hier Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zu 20 Jahren zusammen. Ferner sind einige von ihnen als „Umas“ (unbegleitete minderjährige Asylbewerber) gekommen.
Andere kommen von der „Regeljugendhilfe“. Grund für die Regeljugendhilfe sind etwa Missbrauch, Alkohol- oder Drogenprobleme in der Ursprungsfamilie, wie Stärke informiert. Vom Konzept dieses Zusammenlebens zeigt sich die Verantwortliche vollkommen überzeugt. „Die haben sich gegenseitig so viel gegeben, ich würde das nie wieder anders machen“, sagt sie.
Ähnlich äußert sich Schwarz. „Ich denke, die Jugendlichen profitieren davon, wenn sie hören, was der Kollege hinter sich hat, und wenn sie sehen, dass die Umas das als Chance sehen und wirklich lernen wollen.“ Dies bestätigt Stärke: „Das tut allen gut, gerade den verhaltensauffälligen Jungs, die die Schule als notwendiges Übel sehen.“ Und noch eine Erfahrung hat sie mit ihrer integrativen Gruppe gemacht: „Seither habe ich keine Gewalt mehr im Haus und auch keine Polizei, die etwas richten musste.“
Ihre ursprünglich minderjährigen Asylbewerber sind inzwischen erwachsen, berichtet die Erzieherin und seien nun „alle in Ausbildung.“ Entsprechend zufrieden verkündet sie: „Ich bin sehr, sehr stolz auf meine Jungs.“ Und wie erleben die Bewohner selbst ihr Zuhause? „Das Zusammenleben funktioniert sehr gut. Wir mögen uns und haben keinen intensiven Streit“, erzählt Celal. Auch mit den täglichen Ämtern hat der 14-Jährige kein Problem. „Die Aufgaben finde ich gut, da lernt man was dazu, zum Beispiel wie man spült“, sagt er. Seit zweieinhalb Jahren ist Ahmed in der Einrichtung. Der 19-Jährige ist Sprecher der Gruppe, nach eigenem Bekunden gefällt ihm sein Zuhause. „Es ist entspannt hier“, so Ahmed.
Auch Nesthäkchen Nino findet soweit alles „eigentlich ganz gut“. Einen Kritikpunkt hat er aber doch: „Es ist sehr trostlos, wir machen nicht so viel“, bemängelt der Zwölfjährige. Wünschen würde er sich, beispielsweise „mal wandern zu gehen“.
Dazu wird er aber bald vielleicht reichlich Gelegenheit haben: Zusammen mit seiner Mama fährt Nino für die nächsten Wochen nach Österreich in die Berge.
Quelle: Badische Neueste Nachrichten | Brettener Nachrichten | BRETTEN | 06.08.2018 | Autorin: Catrin Dederichs
Ebenfalls einen Artikel zum Besuch von Andrea Schwarz MdL in der Außenwohngruppe finden Sie auf der Homepage des badischen Landesvereins für Inneren Mission: https://www.badischer-landesverein.de/html/aktuell/aktuell_u.html?&m=8483&artikel=17046&home=true