Mit Hilfe lokaler Initiativen und der Referentin Flavie Singirankabo thematisierte die Landtagsabgeordnete Andrea Schwarz die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit
Kraichtal-Gochsheim. Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde, keine politische Rede, in der nicht das Wort nachhaltig fällt. Es müsste ein Selbstläufer sein und das Primat der Nachhaltigkeit müsste unsere Wirtschaft, unser Handeln und unsere Lebensweise bestimmen, doch dem ist noch lange nicht so. Diese Feststellung, begann Andrea Schwarz MdL, habe sie dazu gebracht, eine Veranstaltungsreihe zum Thema Nachhaltigkeit zu organisieren. „Ein Umdenken kann nur stattfinden, wenn die Leute verstehen, worum es geht“, ist sich die Abgeordnete des Wahlkreises Bretten sicher. Daher freute sie sich ganz besonders über die gut besuchte erste Veranstaltung ihrer Nachhaltigkeitsreihe über soziale Nachhaltigkeit.
In einem kurzweiligen Impulsreferat brachte die Referentin Flavie Singirakabo, die in Stuttgart als systemischer Coach und Heilpraktikerin arbeitet, den Besucherinnen und Besuchern das Thema näher. „Was ist nachhaltig und warum empfinden wir etwas als nachhaltig“ wollte sie von den Anwesenden wissen. Unternehmen wie vaude und dm wurden genannt, genauso wie die GLS-Bank. „Und warum verbinden wir die mit Nachhaltigkeit?“ fragte Singirankabo weiter. Sie respektieren Standarts, war die Antwort des Publikums. „Nachhaltig ist gleich enkelgerecht“, erklärte die quirlige Referentin. „Mit unserem Handeln heute auch die Zukunft sichern“. Ein ganz einfaches Beispiel für soziale Nachhaltigkeit sei unser Körper, versuchte sie das etwas abstrakte Thema zu veranschaulichen. Er spiele perfekt zusammen, um uns am Leben zu erhalten. Die Hand würde nie auf die Idee kommen, mehr Blut für sich zu beanspruchen, als für den Fuß. Denn dann würde das System aus dem Gleichgewicht geraten. Gemeinsam mit dem Publikum sucht sie nach Antworten darauf, warum unser Gesellschaftssystem aus dem Gleichgewicht geraten ist, und wir aus Angst, zu kurz zu kommen oder ausgenutzt zu werden oft weder sozial noch nachhaltig handeln. Bezugnehmend auf ihre Wurzeln, ihre Eltern sind in Burundi geboren und aufgewachsen, beschreibt Singirankabo, dass in diesem kleinen ostafrikanischen Land, das zu den ärmsten Ländern der Welt gehört, Gemeinschaft und Teilen einen ganz großen Stellenwert habe. Hier in Europa scheine ihr, müsse das erst wieder mühsam gelernt werden. Gemeinschaft sei etwas Soziales und die Gemeinschaft müss nachhaltig sein, um fortbestehen zu können. So einfach sei das.
Tolle Beispiele für Menschen, die sich in unserer Gesellschaft mehr Gemeinsinn wünschen, hatte Schwarz ebenfalls zu ihrer Veranstaltung eingeladen. Ihnen die Möglichkeit geben, bekannter zu werden aber vor allem auch um aufzuzeigen, dass es durchaus viele engagierte Menschen um uns herum gibt, war ihre Idee dahinter.
In einem Podiumsgespräch erfuhr das Publikum die Beweggründe und Entwicklung des depot25, welches in Kraichtal-Menzingen gespendete Kleidung zum kleinen Preis verkauft. Geboren aus dem Wunsch, Flüchtlingen in der Gemeinde zu helfen ist das depot25 schnell zu einem Ort der Begegnung geworden, wo längst nicht nur Geflüchtete oder Menschen mit kleinem Geldbeutel einkaufen. „Die Gemeinschaft die dieses Projekt schafft, die Tatsache, dass durch kleine Preise niemand ausgeschlossen wird, die Begegnungen die im depot25 stattfinden, machen diese Initiative zu einem sozial nachhaltigen Projekt, erklärt Singirankabo sichtlich begeistert. Schwarz, die selbst Fan von Second-Hand-Wahre ist, betonte zusätzlich, dass das Tragen gebrauchter Kleidung ökologisch nachhaltig sei. Mit dem Kaufen von Second-Hand-Ware heize man auch nicht weiter die ohnehin schon massenhaft produzierende Textilindustrie, die sehr umweltbelastend ist, an.
Marcus Weiss präsentierte die Solidarische Landwirtschaft, die es seit zwei Jahren in Bretten gibt, und erklärte gleich selbst, die nachhaltigen und sozialen Aspekte des Projekts. „Unser Gemüse ist teurer als im Supermarkt, dafür ist es regional, saisonal und ökologisch angebaut. Und wir haben Gemeinschaft. Dabei wollen wir, dass niemand aus finanziellen Gründen nicht mitmachen kann. Wir haben Mitglieder, die geben mehr, damit andere weniger zahlen können“. Die Idee einer SoLaWi ist es, Obst und Gemüse lokal und fair zu beziehen und dabei mitzuhelfen. In Bretten wird mit der Landwirtin Beate Zonsius zusammengearbeitet. Diese hat durch die SaLaWi Planungssicherheit und bekommt Hilfe beim Pflanzen, Ernten und Verteilen des Gemüses.
Ebenfalls gekommen um sich vorzustellen und an Stehtischen ihre Ware zu präsentieren sowie mit den Besucherinnen und Besuchern ins Gespräch zu kommen, waren comebags aus Bretten Bruchsal, der Weltladen aus Kraichtal sowie das Café Panama aus Walzbachtal.
Aus alten Bannern und Planen näht ein Team der Lebenshilfe Bretten/Bruchsal Taschen und verbindet somit soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Die Idee kam Grafiker Christian Tschürtz und vor 5 Jahren setzte er sie dann mit der Lebenshilfe in die Tat um. Mit großem Erfolg.
Den Weltladen Kraichtal gibt es bereits seit 24 Jahren. Damals hatte Doris Osswald ihn eröffnet, um zum Einkauf fair gehandelter Ware nicht immer nach Bruchsal fahren zu müssen. Sozial nachhaltig ist der faire Handel ganz offensichtlich. „Die Menschen müssen von dem, was sie machen, leben können. Einen Gegenpol zu den Druck ausübenden Großkonzernen sind die Fairtrade-Handelsorganisationen, die gerechte Löhne zahlen und häufig auch vor Ort beraten und Fortbildungen anbieten“, so Osswald.
Das Café Panama ist breit aufgestellt und auch hier findet man alle Aspekte der Nachhaltigkeit wieder. Ökologische Lebensmittel werden verwendet, im neuen Jahr soll es eine Kampagne zu Plastikfrei leben geben, der Kaffee ist fair gehandelt und es werden Reparatur-Cafés angeboten. Dort kommen Menschen zusammen, um gemeinsam Fahrräder oder Haushaltsgeräte mit Hilfe, aber doch selbst, zu reparieren. Eröffnet haben das Ehepaar Häfele das Bauwagencafé in Wössingen aber vor allem, um einen Ort der Gemeinschaft zu schaffen. Inspiriert hatten sie dazu bereits vor 20 Jahren Reisen nach Spanien, wo es „in jedem noch so kleinen Ort eine Café-Bar gibt, in der die Leute zusammenkommen“.