Offener Brief: Vielfalt statt Pseudowissenschaft!

Herr Balzer,

 

am Morgen des 7. März 2018 haben Sie ein Video auf Ihre Facebook-Seite gestellt, in welchem Sie ein inszeniertes Interview aufführen lassen und sich abschließend selbst abfällig über den Bildungsplan Leitperspektive Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV) Baden-Württemberg äußern.

Durch Ihren Doktortitel nehmen wir an, dass Sie wissenschaftliches Arbeiten gewöhnt sind. Daher wird es für Sie eine leichte Aufgabe sein, uns den Beleg für Ihre Aussagen durch Seiten- und Zeilennummer im Bildungsplan Leitperspektive Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV) zukommen zu lassen und zu kennzeichnen, wo Sie in Eigenleistung den Bildungsplan interpretieren.

 

Herr Balzer, unsere Fragen an Sie:

 

  1. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass der Aktionsplan „Für Akzeptanz und gleiche Rechte Baden-Württemberg“ in einem beispiellosen öffentlichen Beteiligungsprozess mit regionalen Workshops in den Jahren 2012/13 entstanden ist? Und ist Ihnen bewusst, dass der Bildungsplan und der Aktionsplan zwei unterschiedliche Projekte sind?
  2. Wie kommen Sie auf die Idee, dass für Pädophilie (im Video Minute 3:51) der Weg an die Schulen geebnet wird?
  3. Teilen Sie die Einschätzung von Gabriel Stängle, dass sich hinter der Leitperspektive Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt eine Frühsexualisierung von Schulkindern verbirgt? Wenn ja, wo finden Sie diese Passage in der Leitperspektive?
  4. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass sexuelle Vielfalt (Min. 4:37) als Lebensform und sexuelle Praktiken zwei verschiedene Sachen sind? Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Sexualaufklärung im Fach Biologie und sexuelle Vielfalt (Min. 6:30) als Querschnittsthema unterschiedliche Themen wie Fächer betreffen?
  5. Woher nehmen die Kenntnisse, „dass ihre [sic!] Kinder Analsex, Orgasmus, Blowjob, Sado-Maso [sic!] und Prostitution im Schulunterricht vorspielen“ müssen?
  6. Aus welchem Lexikon haben Sie die Definition des Wortes „hineinversetzen“, welche eine zwingende praktische Ausübung (Min. 5:30) erfordert, um einen Zustand zu verstehen?
  7. Wie kommen Sie auf die Idee den Befürworterinnen und Befürwortern eine Nähe zu Pädagogen zu unterstellen, die die Öffnung der Inzucht fordern und wo finden Sie diese Forderung in der Leitperspektive des Bildungsplans?
  8. In welcher Weise wird die Privatsphäre von Schülerinnen und Schülern sowie von Lehrerinnen und Lehrern durch die Aufklärung über das Vorhandensein von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender, Intersexuellen und queeren Menschen beeinträchtigt?
  9. Aus welcher Stelle im Bildungsplan entnehmen Sie die Aufforderung an die Schülerinnen und Schüler ihre „Geschlechtlichkeit“ zur Schau zu stellen und Verkleidungsspiele zu machen (Min. 14:45)?
  10. Ist es für Sie vorstellbar, dass Lehrerinnen und Lehrer eine Lebenspartnerschaft oder Ehe zwischen Mann und Frau erklären können, ohne dabei den Geschlechtsakt anzusprechen und ist es für Sie vorstellbar, dass Lehrerinnen und Lehrer die Partnerschaft und Ehe zwischen Mann und Mann erklären können, ohne dabei das Thema Analverkehr anzusprechen?
  11. Haben Sie im Rahmen eines Schulbesuches in Ihrem Wahlkreis bereits Unterrichtseinheiten der „Frühsexualisierung“ besucht und konnte dabei der Zusammenhang zwischen Analsex, Orgasmus, Blowjob, etc. und der Akzeptanz von Vielfalt und gleichen Rechten hergestellt werden?
  12. An welcher Stelle betreibt der Bildungsplan „Werbung“ für die Beziehung von minderjährigen Mädchen mit geflüchteten Muslimen?

Sie fragen, was wir mit der Leitperspektive und dem Bildungsplan erreichen wollen. Ganz einfach: Wir wollen jeden Menschen in diesem Land so akzeptieren wie er oder sie ist. Wir wollen nicht, dass jemand weil er oder sie von der heterosexuellen Norm abweicht, ein Leben lang diskriminiert oder sogar Opfer von Gewalt wird. Wir wollen jedem Menschen in diesem Land ein Leben in Würde garantieren. Und Sie finden nicht, dass das in die Schule gehört? Schule bedeutet mehr als nur Rechnen und Schreiben zu lernen. Schule ist ein Ort des gesellschaftlichen Austauschs und des gesellschaftlichen Zusammenhalts!

 

Sie, Herr Balzer, zwingen Kinder in ein ideologisches Korsett! Sie fordern blinde Ergebenheit! Sie betreiben Propaganda! Sie reden von „stabilen“ Familien. Ihnen ist schon bewusst, dass mehr als jede dritte Ehe zwischen Mann und Frau geschieden wird? Ihnen geht es nicht um unsere Kinder, Ihnen geht es um eine Ideologie! Sie verstehen nicht, dass Menschen heute anders Zusammenleben wollen als vor 50 Jahren. Verstehen Sie endlich, dass die Welt sich weiterdreht. Hören Sie auf fadenscheinige pseudowissenschaftliche Beweise für Ihre menschenverachtende Politik zu benutzen! Sie treffen bewusst Falschaussagen, um für Ihre menschenfeindliche Manipulation zu werben! Sie zerstören mit Ihrer Politik „die Seelen unserer Kinder“!

 

Herr Balzer, Sie sprechen in Ihrem Video davon, dass Kernkompetenzen in der Schule vernachlässigt werden. Fassen Sie sich an die eigene Nase und lesen Sie den Aktionsplan, lesen Sie den Bildungsplan! Hören Sie auf, Unwahrheiten zu verbreiten und kommen Sie als weißer, heterosexueller und gutsituierter Mann endlich aus Ihrer Opferrolle.

 

Wir finden es unsäglich, wie Sie persönlich verleumderisch ganze Menschengruppen herabwürdigen, wie Sie Menschen der LSBTTIQ-Community die gleichen Rechte absprechen. Es ist beschämend wie Sie sich gegen Menschen anderen Glaubens und anderer Weltanschauungen vorgehen. Wir sind ein Land der Vielfalt und der lebendigen Zivilgesellschaft! Das macht uns stark!

 

Andrea Schwarz MdL

Brigitte Lösch MdL

 

PS: In einem Punkt stimmen wir Ihnen jedoch vorbehaltlos zu (Min. 12:22). Es hat uns tatsächlich viel Kraft gekostet bis hierhin zuzuhören!