Am 25. Januar 2023 diskutierte der Landtag unter der Überschrift „Die schützen, die uns schützen“ über Gewalt gegenüber Einsatzkräfte. Andrea Schwarz, Sprecherin für den Bevölkerungsschutz der GRÜNEN Fraktion, machte dabei deutlich, dass jeder tätliche Angriff gegenüber Einsatzkräften zu verurteilen ist. Aber Respekt geht auch weit darüber hinaus, etwa wenn Hofeinfahrten wegen einem Notfalleinsatz zugestellt werden. Die ganze Rede findet sich im Internet oder hier (es gilt das gesprochene Wort):
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
werte Kolleginnen und Kollegen,
im Jahr 2021 ist der Rettungsdienst in Baden-Württemberg zu fast 2,3 Millionen Einsätzen ausgerückt. Hinzu kommen noch 130.000 Einsätze unserer Feuerwehren sowie die Einsätze der ehrenamtlichen Hilfsorganisationen. Jedes einzelne Mal kamen die Einsatzkräfte anderen Menschen zur Hilfe. Und dafür danke ich von Herzen allen haupt- und ehrenamtlichen für jeden einzelnen dieser Einsätze.
Für das gleiche Jahr zählt die polizeiliche Kriminalstatistik 187 Übergriffen gegen Rettungsdienst und Feuerwehr auf. Tragischer Weise wurden dabei 76 Einsatzkräfte leicht verletzt. Und über diese 187 Straftaten müssen wir sprechen, deshalb danke ich der CDU Fraktion für ihre Initiative und ebenso Innenminister Strobl, sich dem Thema anzunehmen für sein Gespräch mit den Betroffenen.
Gewalt gegenüber Einsatzkräften von Rettungsdienst und Feuerwehr sind immer wieder ein Thema, bei weitem nicht nur an Silvester. Auch im Zusammenhang mit anderen Festen, Veranstaltungen, oftmals in Verbindung mit Alkohol, kommt es immer wieder vor, dass eine sehr klare rote Linie überschritten wird.
Unserer Werteordnung ist zentral, wir lehnen Gewalt, gleich von wem oder gegenüber wem, ab. Und wir alle sind uns in dem Punkt einig, dass gerade diejenigen, die uns helfen, unseren Schutz verdient haben. Im Strafrecht ist daher verankert, dass nicht nur Polizistinnen und Polizisten besonders geschützt werden. Wir alle kennen den Begriff des Widerstandes oder des tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte. Einsatzkräfte von Feuerwehr, von Rettungsdiensten, des Katastrophenschutzes aber etwa auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Notaufnahmen sind diesen gleichgestellt. Taten gegen sie können also aus gutem Grund genauso hart bestraft werden. Und ich halte es auch für wichtig dies in einer solchen Debatte nochmals deutlich hervorzuheben. Wir müssen expliziet betonen und klar zu machen: Angriffe auf Einsatzkräfte, und wenn es nur ein anrempeln oder ein beleidigender Spruch ist, ist kein Kavaliersdelikt!
Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaften und der Gerichte, dieses Recht auch eindeutig so umzusetzen. Unsere Justiz in Baden-Württemberg beweist auch immer wieder, dass eine schnell und unmissverständliche Strafverfolgung und Rechtsprechung möglich ist. Manchmal würde ich mir wünschen, dass die mediale Aufmerksamkeit, auch im Netz, nicht nur den Taten, sondern den deutlichen Urteilen gilt. Auch so zeigen wir, dass der Staat sich vor die Rettungskräfte stellt, der Justiz auch dafür an dieser Stelle vielen Dank.
Wie so oft gilt aber auch hier: vermeintlich einfache Antworten in einer emotionalen Debatte liefern selten nachhaltige Effekte.
Schaut man in die Studien zu diesem Themenfeld oder unterhält man sich mit den Einsatzkräften, so zeigt sich, dass es im Großen und Ganzen eben nicht die gezielten Hinterhalte sind. Vielmehr entsteht diese Gewalt aus Gelegenheiten heraus, oftmals gepaart mit einer falsch verstandenen Männlichkeit oder zu viel Alkohol. Meistens sind es Situationen im öffentlichen Raum, am Rande von Feierlichkeiten oder nur auf der Straße, die eine vermeintliche Bühne für diese Taten liefern. Es lohnt sich also schon, genau bei den Ursachen hinzuschauen.
Ganz sicher hat es aber nichts mit einem fehlenden Integrationswillen zu tun, wie einige in den vergangenen Wochen pauschal unterstellen wollen. Jetzt nach Vornamen zu fragen, weil die Antwort nach der Staatszugehörigkeit nicht das gewünschte Ergebnis lieferte, ist unterirdisch. Eine solche Frage zeigt nicht nur einen fehlenden Respekt gegenüber großen Teilen unserer Gesellschaft. Es ist auch respektlos den Einsatzkräften gegenüber, wenn die Angriffe auf für eine solche populistische Debatte missbraucht werden.
Natürlich müssen wir über die Maßnahmen sprechen, die jetzt ergriffen werden müssen. Dazu gehört für uns Grüne aber nicht, reflexartig nach Dashcams oder gar Bodycams zu rufen. Noch dazu, weil Rettungskräfte regelmäßig in unsere privatesten Situationen und Räumlichkeiten vordringen müssen – sicherlich hätten einige von uns ein ungutes Gefühl dabei, wenn im heimischen Wohn- oder Schlafzimmer jemand fremdes filmen würde.
In den Fortbildungen der verschiedenen Organisationen wurde ebenfalls reagiert. Hier finden auch Deeskalationstrainings statt, um brenzlige Situation möglichst zu entschärfen, bevor diese handgreiflich werden. Leider hilft das wenig, wenn Einsatzkräfte schon beim Eintreffen an einer Einsatzstelle angegriffen werden. Hier kann es durchaus richtig sein, sich insgesamt dem Thema der Sicherheit im öffentlichen Raum zu widmen.
Und auch dieser Hinweis sei an dieser Stelle erlaubt: Nicht nur Einsatzkräfte wurden an Silvester angegriffen, auf Videos in den Sozialen Medien war auch zu sehen, wie Raketen auf Taxis abgefeuert wurden und es wurden auch Böller auf Familien geworfen.
Es ist ein altes Mantra: Diejenigen, die anderen helfen, gleich ob beruflich oder im Ehrenamt, verdienen jeden Tag unseren Respekt. Und dies ganz gleich, in welcher Situation, ob nur meine Einfahrt mit einem Rettungswagen zugestellt ist und ich einen dringenden Termin habe – aber welcher Abgeordneten-Termin ist schon dringender als die Versorgung meiner Nachbarn bei einem Notfall – oder Notfallsanitäterinnen sich in brenzlige Situationen begeben müssen um etwa Verletzte bei einer Schlägerei oder gar schlimmerem zu Versorgen. Und ich wünsche mir, dass allen Einsatzkräften dieser Respekt entgegengebracht wird und sie sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren können.
Respekt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, fängt immer bei uns selbst an. Für uns Abgeordnete gehört zu diesem Respekt daher auch noch ein weiterer Punkt: Wenn es uns Ernst damit ist, uns vor Einsatzkräfte zu stellen, müssen wir dies nicht nur bei diesem einen Thema machen, sondern bei allem, was die Retterinnen und Retter, aber auch die Patientinnen und Patienten umtreibt.
Dazu gehört, dass wir die Arbeitsbelastung im Rettungsdienst insgesamt reduzieren, etwa durch die Einführung neuer Versorgungskonzepte wie dem Gemeinde-Notfallsanitäter. Dass wir zuverlässige Strukturen schaffen, indem wir das Vorhaben einer einheitlichen Leitstellenstruktur umsetzen und die Disposition des Ärztlichem Bereitschaftsdienstes – der 116 117 – in den Leitstellen integrieren. Das wir die Luftrettung für das ganze Land gut aufstellen und jetzt bei der Umsetzung des Strukturgutachtens schnell vorangehen. Dass wir einheitliche Kompetenzen der endlich landesweit eingeführten Vorabdelegation, sondern möglichst bundesweit einheitlich. Dass wir den Rettungsdienst und die Notaufnahmen von den Einsätzen entlasten, bei denen man sich eigentlich selbst helfen kann.
Ein großer Teil der schon genannten 2,3 Millionen Einsätze wird in – das kann ich ihnen aus eigener Erfahrung berichten – langen und manchmal anstrengenden 12-Stunden-Schichten geleistet. Wenn wir uns auch weiterhin auf viele tolle Notfall- und Rettungssanitäter verlassen wollen, müssen wir unseren Teil dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen attraktiv zu gestalten.
Und auch das Ehrenamt bei den Feuerwehren und den Hilfsorganisationen profitiert mehr davon, wenn wir sie auch weiterhin vernünftig ausstatten oder die rechtlichen Rahmenbedingungen bei den Helferinnen und Helfern einheitlich gestalten, als von tagesaktuellen Debatten.
Zum Ende möchte ich nochmals betonen: Es ist unsere Aufgabe, uns bei jedem einzelnen Übergriff gegenüber Einsatzkräften klar zu positionieren und uns vor die Einsatzkräfte zu stellen. Die Justiz hat die Aufgabe, diese Straftaten zu verfolgen und entsprechende Strafen zu verhängen.
Wenn ich den Rettungsdienst im Schichtdienst begleite oder wenn ich mich mit Ehrenamtlichen unterhalte spüre ich immer, dass sie ihren Beruf oder ihr Ehrenamt mit Freude ausüben. In den allermeisten Einsätzen schlägt ihnen keine Gewalt, sondern Dank und Anerkennung entgegen. Und auch das sollten wir nicht vergessen – meinen uneingeschränkten Respekt und meinen Dank haben sie.